Welcome
to Futuristan hieß die Ausstellung anlässlich des 30Jährigen
Jubiläums der galerie futura in Berlin, einem Ort für feministische
Perspektiven in der Kunst und kritisches Kulturschaffen. Von Juni bis
August nutzte ich das Erlebbare Archiv der Kulturwerkstatt und
Galerie für Wikipedia-Workshops mit und für Frauen* aus Kunst und
Kultur. Die Künstlerin Sandra
Becker hat mich dabei unterstützt. Sie engagiert sich unter
anderem bei Women
edit, WikiWomen
unterwegs und Wikipedia.
FilmFrauen – Initiativen innerhalb der Wikipedia-Community und des Wikimedia
e.V.
Wikipedia und ich.
Bis 2012 gehörte ich zu den Kritikerinnen der Wikipedia.
Zu jenen, die sich über unvollkommene und fehlende Beiträge
beschwerten, aber niemals selbst aktiv geworden wären. Als freie
Film- und Kulturschaffende war ich ausschließlich damit beschäftigt
eigene Projektgelder, neue Aufträge und Kontakte zu organisieren.
Unterwegs von Berlin nach Stuttgart, Buenos Aires, Oslo oder Toronto
fehlte mir die Zeit, in erster Linie jedoch der Glaube an die
Bedeutsamkeit der Enzyklopädie. Kooperation spielte zwar eine wichtige Rolle in meiner Arbeit, das gesellschaftliche Umfeld, die
Sichtbarkeit und Wahrnehmung kunst- und kulturschaffender Frauen
allerdings hatte nicht Priorität.
Die Geburt meines Kindes stellte eine Zäsur dar. Mein bewegtes, ungebundenes, schnelles Leben wandelte sich in ein lokales, familiäres, langsames. Freischaffendes Arbeiten auf internationalem Niveau konnte ich nicht mehr – kräftemäßig, finanziell. Eine Lebensphase, die mich mit meinen Grenzen konfrontierte aber vor allem mit den strukturellen Ungleichgewichtigen in der Kulturszene und unserer Gesellschaft: „Kümmere dich doch erst einmal um dein Kind.“ „Als Mutter mit Kleinkind auch freiberuflich in der Kulturbranche tätig sein, dass geht nur, wenn du einen wohlhabenden Partner und sehr viel Glück hast.“ „In Berlin als filmschaffende Mutter überleben – da mach dir doch nichts vor.“
Also machte ich mich auf die Suche – nach neuen Netzwerken und
Formen des Austauschs, nach Möglichkeiten der Kooperation und der
Selbstermächtigung gemeinsam mit Menschen in ähnlicher Situation
und Verfassung. Da meine neuen Lebensumstände mir zunächst nur kurze
Arbeits- und Konzentrationsphasen ermöglichten, wurde die textbasierte Arbeit wieder wichtiger als die mit dem bewegten Bild. Ich beschäftigte
mich mit meinem Archiv, angesammeltem Wissen und der allgemeinen
Situation von kunst- und kulturschaffenden Frauen in Deutschland. Als
Leserin nutzte ich die Wikipedia mehr als jemals zuvor – besonders
in den Stillpausen. Nur etwa 8%
aller Beiträge werden in der deutschsprachigen Wikipedia von Frauen
verfasst. Der Frauenanteil in den USA wird immerhin auf 14%
geschätzt, so eine Untersuchung der Wikimedia Foundation von
2012. Saskia Jasmin Ehlers ist den Imbalences
in einem Vortrag auf der Wikimania 2016 umfassend auf den Grund
gegangen.
Gesellschaftliche Ungleichgewichte spiegeln sich auch in der Wikipedia-Community wider.
Gesellschaftliche Ungleichgewichte spiegeln sich auch in der Wikipedia-Community wider.
Frauen editieren
weniger. Das hat Zeitgründe – weil sie schlicht neben der
Berufstätigkeit immer noch weit mehr mit Familien- und Sorgearbeit
befasst sind. Oft schreckt sie das Einarbeiten in die Logik der
Plattform und die Benutzeroberfläche ab. Und tatsächlich werden die
ersten Edits von sich als weiblich ausgebenden Wikipedians häufiger
gelöscht. Auch Umgangston und die Auseinandersetzung in der
Community, misogyne Tendenzen sowie fehlende soziale, persönliche
Interaktion lassen Frauen nur zögerlich zu Wikipedians werden. In der Wikipedia-Community spiegeln sich gesellschaftliche
Ungleichgewichte wider. Das hat natürlich auch inhaltliche Effekte für die Enzyklopädie.
Auf der Suche nach
Austausch und kooperativen Formen des Arbeitens und kultureller
Wissensproduktion las ich von einem Art+Feminism
Edit-a-thon
in der AGO Art Gallery of Ontario
und schließlich verschlug es mich auf ein Treffen von Women edit
– einem regelmäßigen, offenen Netzwerkabend von
Wikipedia-Autor:innen für Anfänger:innen, Autor:innen und
Interessierte. Anders
als in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen hatte die
Wikimedia Foundation die Herausforderung angenommen und unterstützt
die in der Community wirkenden Frauen*. So motiviert die internationale Initiative Art+Feminism kleine und große
internationale Galerien dazu Autor:innen und interessierte Frauen*
einzuladen, um in die Wikipedia zu schreiben. Anfänger:innen lernen von
erfahrenen Wikipedianer:innen. Erfahrene Autor:innen tauschen sich
aus und arbeiten gemeinsam an Beiträgen über Frauen* aus Kunst,
Architektur und Design. Initiativen wie Women edit,
WikiWomen unterwegs
und Wikipedia.
FilmFrauen
knüpfen in Deutschland an die Erfahrungen an und
schaffen weitere Angebote für Frauen* und Interessierte.
Wikipedia
– Do it yourself but do it together.
Women edit
brach für mich das Eis. Ich traf
motivierende Persönlichkeiten, konnte sofort anfangen. Nach einer
Veranstaltung für Frauen in Film, Funk und Fernsehen
zur Berlinale 2016 stand ich dann in Flammen. Ganz schnell
habe ich ein eigenes kleines Netzwerk geschaffen, um gemeinsam zu
lernen und mich mit anderen kritisch in die Debatte um Frauen und
Diversität in der Community einzumischen. Ich fand mit der galerie
futura die ideale Partnerin für den ersten
selbstorganisierten
Edit-a-thon. Ziel war es Künstler:innen, Autor:innen und
Lai:innen aus dem Umfeld der Galerie an die Arbeit für die Wikipedia
heranzuführen, um so einen eigenen Beitrag zu leisten den Anteil von
Autor:innen in der Community sowie die Sichtbarkeit relevanter
Künstler:innen, Institutionen, Theoretiker:innen und feministischer
Perspektiven in der Kunst zu stärken. Unser Arbeitsort wurde das 30-jährige
Archiv der alpha nova & galerie futura, dass vom 18. Mai
bis zum 27. August 2016 als offener Arbeits- und Veranstaltungsort
von jedermensch benutzbar und begehbar war. Das Erlebbare Archiv, die
Jubiläumsausstellung Welcome to Futuristan und das Umfeld der
Galerie sollen inspirieren für Wikipedia relevante Arbeiten, Orte,
Biografien feministischer Künstler:innen, Autor:innen, Kurator:innen
oder Theoretiker:innen zu identifizieren, Materialien für
Wikipedia-Artikel zu sammeln, Artikel zu verfassen und zu
überarbeiten.
Allen
Skeptiker:innen und Anfänger:innen würde ich heute sagen: Seid anspruchsvoll, aber fangt an. Engagiert euch für die Sichtbarkeit relevanter Themen und Inhalte – in all ihrer Vielfalt. Probiert es aus. Legt euch einen Account zu. Benutzt nicht euren Klarnamen, aber
einen Namen, der für euch steht. Ihr müsst euch nicht als weiblich
oder männlich identifizieren, wenn ihr das nicht wollt.
Ihr könnt allein beginnen – es erleichtert aber Vieles, den Start gemeinsam in einer Gruppe zu machen. Auf den Netzwerk-Seiten finden sich zahlreiche Termine und Gruppen. Es gibt unzählige Stammtische und Community-Treffen. Oft ist es einfacher sich die wesentlichen Arbeitsschritte und Tools erklären zu lassen, Grundlagen des Umgangs und der Kommunikation zu erfahren und die ersten Arbeitsschritte an einem geplanten Beitrag miteinander zu besprechen. Auf der Seite unserer Wikipedia-Veranstaltung ist ein gutes Starter-Kit zusammengestellt. Seid offen, fröhlich und lasst euch auf die Bedingungen des kollaborativen Schreibens ein. Im besten Fall verbucht ihr eure erste Löschdiskussion als interessante Erfahrung und geht gestärkt aus ihr hervor.
Nehmt eure Ängste und Unzufriedenheiten wahr. Doch fresst sie nicht in euch hinein, sondern vernetzt euch aktiv mit Gleichgesinnten und versucht Probleme konstruktiv und an den geeigneten Stellen zu artikulieren. Aufgrund der Tatsache, dass die Wikipedia offen für alle ist, sind Konflikte oder Fälle von Missbrauch nicht ausgeschlossen. Allerdings sorgen gute Netzwerke, klare Absprachen und Übereinkünfte wie auch eine gute gemeinsame Motivation dafür, dass man diese bewältigen und minimieren kann. Gemeinsam lässt sich einiges bewegen. Wenn ihr Fragen habt, dann schreibt mir gern.
Ihr könnt allein beginnen – es erleichtert aber Vieles, den Start gemeinsam in einer Gruppe zu machen. Auf den Netzwerk-Seiten finden sich zahlreiche Termine und Gruppen. Es gibt unzählige Stammtische und Community-Treffen. Oft ist es einfacher sich die wesentlichen Arbeitsschritte und Tools erklären zu lassen, Grundlagen des Umgangs und der Kommunikation zu erfahren und die ersten Arbeitsschritte an einem geplanten Beitrag miteinander zu besprechen. Auf der Seite unserer Wikipedia-Veranstaltung ist ein gutes Starter-Kit zusammengestellt. Seid offen, fröhlich und lasst euch auf die Bedingungen des kollaborativen Schreibens ein. Im besten Fall verbucht ihr eure erste Löschdiskussion als interessante Erfahrung und geht gestärkt aus ihr hervor.
Nehmt eure Ängste und Unzufriedenheiten wahr. Doch fresst sie nicht in euch hinein, sondern vernetzt euch aktiv mit Gleichgesinnten und versucht Probleme konstruktiv und an den geeigneten Stellen zu artikulieren. Aufgrund der Tatsache, dass die Wikipedia offen für alle ist, sind Konflikte oder Fälle von Missbrauch nicht ausgeschlossen. Allerdings sorgen gute Netzwerke, klare Absprachen und Übereinkünfte wie auch eine gute gemeinsame Motivation dafür, dass man diese bewältigen und minimieren kann. Gemeinsam lässt sich einiges bewegen. Wenn ihr Fragen habt, dann schreibt mir gern.
Schöner Text
AntwortenLöschenVielen Dank. Schöne Zusammenarbeit.
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