24. August 2015

Menschen für Menschen auf der Flucht vor Krieg und Not

Das radikal Böse ist das, was nicht hätte passieren dürfen, das heißt das, womit man sich nicht versöhnen kann [...] woran man auch nicht schweigend vorübergehen darf.“, Hannah Arendt

Die Fassaden sind längst gefallen. Die Systeme ächzen. Ignorant lebt, wer die Situation der vor Not und Krieg flüchtenden Menschen nicht in einen weltgesellschaftlichen Kontext bringen möchte. Verfolgt man die Geschichten der Geflüchteten nicht nur in den Mainstream-Medien, sondern direkt über The VOICE Refugee Forum Germany, dem Refugee Radio Network, bei lunapark21 oder achtet auf den Hintergrund wird klar wie direkt unsere Existenzen miteinander verbunden sind.
Der interventionistische Audioguide der Gruppe Kolonialismus im Kasten? thematisiert unsere eigene, selbst in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, marginalisierte Geschichte kolonialer Gewalt und wirtschaftlicher Interessen. Diese nämlich prägt unsere Welt und die Ursachen von Flucht und Migration bis heute.
Grund dafür ist eine Gesellschaftspraxis, die Krieg und Destabilisierung als Teil der "Demokratisierung" und "Befreiung" normalisiert und als Instrument der Einfluss- und Marktsicherung nutzt. Der Mediendienst Integration hat umfassende Informationen zu den aktuellen Fluchtursachen zusammengestellt. Auch ProAsyl macht auf den Kontext aufmerksam und entkräftet Vorurteile gegen Menschen auf der Flucht vor Not und Krieg.

© THE FORMOSA EXPERIMENT: ein Film von Verena Kyselka, 2014 >> Filmausschnitt anschauen
Regierungen, Behörden und Verwaltungen agieren langsam und verfolgen ihre ganz eigenen Interessen nach intransparenten Kriterien. 
Die Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Berlin) haben die humanitäre Katastrophe mindestens den Helfer*innen bewusst gemacht. Die Kampagne "Die Toten kommen", realisiert durch das Zentrum für politische Schönheit in Kooperation mit der Öffentlichkeit, hat die unzähligen im Mittelmeer ertrunkenen Menschen erstmals in die deutschen Städte und Dörfer gebracht. Weissach, Heidenau und Freital zeigen klar, dass sich Geschichte und Versagen in Deutschland wiederholen können und es keinen Weg gibt, sich der Verantwortung zu entziehen mit den Worten: "Davon haben wir hier nichts gewusst."

Ob bei ProAsyl, Teachers on the road, Refugees Welcome oder Moabit-hilft - jeder Akt für Menschenrechte und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind relevant. Straßengezwitscher berichtete live aus Heidenau. BuzzFeed hat sich mit den Äußerungen "besorgter Bürger*innen" in den sozialen Netzwerken befasst und diese entkräftigt. Auf betterplace.org sammeln #bloggerfuerfluechtlinge, unter berlin-hilft-lageso finden sich die Links zu verschiedenen Inititativen in den Bezirken Berlins. #NoPegida-Aktivist*innen treffen sich online und natürlich auf den Straßen. Mit ihrer Dokumentation Radikale im Tale hat das Jugendmedienprojekt Wuppertal sehr früh und direkt versucht, die Motive der Pegida-Bewegung vor Ort zu verstehen. In #Jamel bei Wismar feierten die Lohmeyers trotz des Brandanschlags auf ihr Stallgebäude das Forst Rock Festival für eine bunte Welt. Die internationalen Netzwerke antirassistischer Gruppen wie Kein Mensch ist illegal oder No Border machen sich weltweit seit Jahren für das Recht auf Migration und freie Residenz stark.

“Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Frieden und Würde. Und dieses zu realisieren, dafür sind wir alle verantwortlich." Das sind die Worte einer Person, die mein Demokratieverständnis nachhaltig geprägt hat - meine Grundschullehrerin. Dafür musste sie in keinem Schulbuch blättern. Sie sprach einfach aus Erfahrung, hatte sie doch selbst den Krieg nur zufällig überlebt und mit dem Holocaust die extremste Form des staatlich legitimierten Rassismus und der Menschenverachtung erfahren. 
Mit der Abwertung von Menschen fängt Diskriminierung und Rassismus an. Mit Propaganda, Übergriffen und Anschlägen, die Menschen und ihre Unterkünfte zum Opfer haben, wird er zum rechtsextremistischen Terror in der Tradition deutscher Faschisten.
Die Amadeu Antonio Stiftung gehört zu den wichtigen Akteur*innen, die sich ganzheitlich, intellektuell und praktisch mit diskriminierenden, rechtsextremistischen und neo-nationalsozialistischen Strukturen und Argumenten in unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Neben guten kostenfreien Publikationen zum Thema unterstützt sie eine Vielzahl von Projekten und hat die "Betagruppe" gegen Nazis und Rassismus im Internet und nonazi.net initiiert. Aber auch die vielen Zeitzeug*innen-Verbände im Netz und digitale Gedenkprojekte versuchen die Erinnerung an die faschistische Vergangenheit und das rassistische Erbe unseres Staates zu thematisieren und zu diskutieren. 

Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, ob menschliches Handeln gegen die Würde und die Unversehrtheit anderer Menschen, Minderheiten, Fremder, Geflüchteter – ganz gleich ob politisch oder ökonomisch, individuell oder gesellschaftlich motiviert - begünstigt oder sanktioniert wird. Es liegt in der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen sich für Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden zu engagieren. Jedes (Nicht)Handeln ist relevant und ebenfalls politisch.

Epilog. 
Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt und meine Hochachtung aussprechen für all die Menschen in diesem Land, die sich offen und direkt gegen diskriminierendes, rassistisches, fremdenfeindliches und rechtsradikales Gedankengut aussprechen und ausgesprochen haben. Ganz besonders erwähnen möchte ich diejenigen, die deshalb mit Beschimpfungen, Drohungen und Übergriffen auf ihre Person, Freund*innen und Angehörige leben müssen. Ich gedenke aller Opfer rassistischer und rechtsextremistischer Gewalttaten.