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25. Mai 2015

Bilder, die wir haben. Bilder, die wir brauchen: Über die Grenzen der Repräsentation im Dokumentarfilm

Im Rahmen von united nations revisited "Künstlerische Interventionen im politischen Raum" habe ich einen Vortrag über die Grenzen der Repräsentation in den Dokumentarfilmen Kinshasa Symphony und Congo in Four Acts gehalten. Hier findet sich ein ausführlicher Beitrag dazu.

© Congo in Four Acts, Dieudo Hamadi, Divita Wa Lusala und Kiripi Katembo Siku // Suka Productions 2010




„Das dokumentarische Bild repräsentiert vielleicht.
Es vergegenwärtigt jedoch auf jeden Fall seinen eigenen Kontext: Es bringt ihn zum Ausdruck.“
, schreibt die Künstlerin und Theoretikerin Hito Steyerl in Die Farbe der Wahrheit (1). Damit formuliert sie das zentrale Thema dokumentarisch-filmischen Schaffens und seiner politischen Dimension überhaupt. Vergegenwärtigen wir kurz: Repräsentation bedeutet zum einen in der künstlerischen und philosophischen Praxis die „Darstellung“ oder „Vorstellung“ von etwas. In der Politik wird Repräsentation als „Sprechen für“, im „Namen von“ oder „in Vertretung von“ verstanden.

Gerade in der dokumentarfilmischen Praxis aus und über Afrika fallen Aspekte einer politischen und künstlerischen Repräsentation zusammen. Diese strukturellen, formalen und inhaltlichen Verfahren der politischen wie künstlerischen Repräsentation konfrontieren uns jedoch nicht mit den Dingen der dargestellten Welt, sondern mit bestimmten Begriffen, Überlegungen und Modellen dazu. Sie entwerfen die Welt als Bild ihrer Wahrheiten. Weil Bilder wie Wahrheiten nach bestimmten Konventionen der politischen wie kulturellen Macht erzeugt werden, müssen diese stets aufs Neue in Bezug auf ihre Rechtmäßigkeit hinterfragt werden. Filme wie Kinshasa Symphony und Congo in Four Acts bieten den passenden Anlass.

Kinshasa Symphony von Claus Wischmann und Martin Baer wurde unter Schirmherrschaft der deutschen UNESCO Kommission e.V. mit großem finanziellen Aufwand als Kinofilm in Co-Produktion des RBB und WDR im Rahmen der ARD realisiert. Der Film zeigt die Arbeit des einzigen Symphonieorchesters in Zentralafrika, des Orchesters Kimbanguiste.
Im Zentrum des Filmes stehen die Proben für Beethovens 9. Symphonie für das erste große öffentliche Konzert des Orchesters anlässlich des Unabhängigkeitstages. Der Film zeigt die Musiker*innen während der Konzertproben und begleitet neun Personen durch ihr Alltagsleben. Darüber hinaus inszeniert er diese Musiker*innen mit ihren Instrumenten in öffentlichen Räumen der Stadt Kinshasa. Kinshasa Symphony wurde auf Festivals, im Kino und im deutschen Fernsehen gezeigt, gewann diverse Preise und wurde in der Presse vielfach gelobt. Der Dokumentarfilm ist als DVD im Handel erhältlich.

In Congo in Four Acts geben die kongolesischen Filmemacher Dieudo Hamadi, Divita Wa Lusala, Patrick Ken Kalala und Kiripi Katembo Siku in vier voneinander unabhängigen Episoden Einblick in das Alltagsleben des Landes. Sie zeigen Frauen auf einer Entbindungsstation (Ladies in Waiting), die Lebensverhältnisse der Hauptstadt Kinshasa (Symphony Kinshasa), die Ermittlungsarbeit von Polizeibeamtinnen im Kontext alltäglicher, sexualisierter Gewalt gegen Frauen (Zero Tolerance) und die Bedingungen der Arbeit in den Steinwüsten der Minenregion Kipushi (After the Mine). Alle Episoden wurden mit großer Eigeninitiative, gefördert u. a. durch die Cooperation Britannique, Media for Democracy and Accountability und das Internationale Dokumentarfilmfestival Amsterdam (IDFA) realisiert. Congo in Four Acts ist meist mit Kinshasa Symphony auf Festivals gelaufen, allerdings nicht als DVD erhältlich und wurde im deutschen Fernsehen nur in Ausschnitten gezeigt.

Die öffentliche Wahrnehmung der Filme lässt sich auf folgende Kommentare des Journalisten Dominic Johnson zuspitzen:
„Gerade weil das alles unkommentiert bleibt, wird schlagartig das kongolesische Elend deutlich, die Niedertracht eines Alltags, in dem kaputte und mittellose Menschen sich damit aufreiben, um Brosamen vom Tisch eines reichen Landes zu streiten.“, sagt er zu Congo in Four Acts.  Kinshasa Symphony „… ist dazu die unverzichtbare, weil aus dem Elend hinausführende Ergänzung. (...) Die Musik ermöglicht das, was Kongolesen ansonsten verwehrt ist: Anschluss finden; mitspielen, im wahrsten Sinne des Wortes."

Beide Kommentare treffen die Oberfläche der Filme sehr gut. Aber wie auch die Filme selbst, werfen sie bei tieferer Betrachtung wesentliche Fragen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit filmischer Repräsentation im Sinne von „Darstellung oder Vorstellung von“ und „Sprechen für“ oder „im Namen von“ auf: Welche Grenzen hat Repräsentation im Kontext westlich geprägter hegemonialer Diskurse und Kulturpraktiken wie sie auch im Rahmen der UNESCO wirksam werden? Wann ist Repräsentation gehaltvoll, wann gewaltsam? Welche Alternativen gibt es? 

Antworten auf diese Fragen werden nie vollkommen sein, aber einige Überlegungen helfen dabei, ihnen näher zu kommen.